2019 – Jahr der Jubiläen. Neben dem 100. Geburtstag der Weimarer Reichsverfassung, dem 70. Geburtstag des Grundgesetzes und dem 60. Geburtstag des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte feiert auch ein kleineres und jüngeres Projekt Geburtstag. Die Humboldt Law Clinic für Grund- und Menschenrechte (HLCMR) hat ihren 10. Ausbildungszyklus erfolgreich abgeschlossen. In den USA hat das Konzept der praxisnahen Ausbildung in Law Clinics, insbesondere durch studentische Rechtsberatung, eine jahrzehntelange Tradition. In Deutschland ist die kostenlose Rechtsberatung durch Studierende erst seit der Änderung des Rechtsdienstleistungsgesetzes im Jahr 2007 zulässig.
Seitdem ist eine Vielzahl von Law Clinics entstanden. Eine der ersten war die HLCMR, die seit ihrer Gründung unter der Regie von Susanne Baer im Jahr 2009 bereits an unterschiedlichsten Projekten in den Bereichen Antidiskriminierung, Menschenrechte und Rechtspolitik mitgewirkt hat. Anders als andere Law Clinics bietet die HLCMR keine Rechtsberatung an. Stattdessen verfassen die Studierenden wissenschaftliche Expertisen für Kooperationspartner_innen der HLCMR. Zu diesen gehören NGOs, Beratungsstellen und Anwält_innen. Das Jubiläum der HLCMR bietet Anlass, die wichtige Rolle von Law Clinics für die juristische Ausbildung hervorzuheben. Sie eröffnen Studierenden eine neue, über die rein juridisch-systematischen Aspekte von Recht hinausgehende Perspektive. Durch die Anwendung von Recht außerhalb des geschützten Raumes der juristischen Fakultäten kommen Studierende in Kontakt mit den realen Kontexten, in denen Recht entsteht und wirkt. Dadurch leisten Law Clinics einen wichtigen Beitrag zu einer realistischen juristischen Ausbildung. Die Teilnehmer_innen der HLCMR beschäftigen sich aufgrund des Schwerpunkts der HLCMR insbesondere mit gesellschaftlichen Ungleichheiten und diskriminierenden Strukturen. Dieses Thema spielte auch bei der Jubiläumsfeier am 13. Dezember 2019 eine große Rolle.
Susanne Baer, Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin, Bundesverfassungsrichterin und Gründerin der HLCMR, fragte in ihrem Festvortrag, wo wir momentan in Bezug auf Gleichheit stehen. Doch wozu sollen wir uns heute noch Gedanken über Gleichheit machen? Aus rein juridischer Sicht scheint das Problem längst gelöst. Den Müttern und Vätern des Grundgesetzes verdanken wir eine Vielzahl von Gleichheitsrechten im Grundgesetz. Das AGG bietet Menschen in Deutschland die Möglichkeit, sich gegen Diskriminierungen durch Private zu wehren. Auch auf supra- und internationaler Ebene finden sich verschiedene Gleichheitsrechte, von der Grundrechtecharta auf EU-Ebene über die EMRK auf europäischer Ebene bis hin zu Frauenrechtskonvention, Behindertenrechtskonvention und Anti-Rassismus-Konvention auf UN-Ebene.
Zudem haben die Absolvent_innen des 10. Zyklus ihre Projekte in Pitch-Format dargestellt. Anschließend fand die Übergabe der Zertifikate an die Studierenden statt.
Traditionell konnten sich die Veranstaltungsteilnehmende bei Get-Together mit Buffet gegenseitig austauschen.
Die Humboldt Law Clinic für Grund- und Menschenrechte (HLCMR) feierte am 07. Februar 2019 den erfolgreichen Abschluss ihres neunten Zyklus. Zugleich wurde der zehnte Jubiläumszyklus begrüßt. Besondere Begeisterung und Andrang löste die diesjährige Keynote von Prof. Dr. Bénédicte Savoy aus.
Bénédicte Savoy zu geraubten Kulturobjekten: „Statistische Evidenz spricht Bände“
Die Leibnizpreisträgerin Prof. Dr. Bénédicte Savoy, die „Lehre als ein gemeinsames Forschungsprojekt“ beschreibt, sprach über die koloniale Herkunft der Objekte in europäischen anthropologischen Sammlungen. Bereits ihr Gutachten über die Rückgabe geraubten Kulturguts durch Frankreich an die Herkunftsstaaten, das sie gemeinsam mit Felwine Sarr für den französischen Präsidenten erstellte, erregte fachübergreifend große Aufmerksamkeit. Prof. Dr. Bénédicte Savoy legte in ihrem Vortrag ein besonderes Augenmerk auf das, was sie „statistische Evidenz“ nannte. Es werde immer wieder behauptet, dass die Mehrheit der Objekte in europäischen anthropologischen Sammlungen nicht aus der Kolonialzeit stamme. Diese Behauptung widerlegte Savoy. Anschaulich zeigte sie, dass sowohl in Deutschland als auch in Frankreich ein Großteil der Objekte in anthropologischen Museen während der jeweiligen Kolonialzeit der Sammlung hinzugefügt wurde. In der anschließenden Fragerunde schloss Prof. Dr. Bénédicte Savoy mit der Feststellung, dass diese geraubten Kulturobjekte an die Herkunftsstaaten zurückgegeben werden müssten. Sie warf mit ihrem Vortrag ethische, historische und juristische Fragen auf. Sie zeigte zudem die Relevanz und Aktualität postkolonialer Beziehungen. Im postkolonialen Raum bewegte sich auch eines der Projekte im neunten Zyklus. Die Studierenden Florence Stürmer und Julian Schramm untersuchten, auf welchen juristischen Grundlagen Forderungen nach der Rückgabe von menschlichen Gebeinen, die während der Kolonialherrschaft nach Deutschland verschleppt wurden, gestellt werden könnten.
Mnyaka Sururu Mboro: Die besondere Bedeutung von Human Remains
Als Team der HLCMR waren wir sehr geehrt, zu diesem Anlass Mnyaka Sururu Mboro, Gründungs- und Vorstandsmitglied unseres Kooperationspartners Berlin Postkolonial e.V., begrüßen zu dürfen. Mnyaka Sururu Mboro betonte, dass man die Rückgabe menschlicher Gebeine trotz des gemeinsamen Ursprungs in der Kolonialherrschaft nicht mit der Rückgabe geraubten Kulturgutes gleichsetzen dürfe. Er stellte heraus und mit seiner Präsenz eindrücklich dar, welche immense Bedeutung es habe, die Knochen der eigenen Angehörigen in ihrer Heimat begraben zu dürfen. Die Studierenden wiederum versuchten in ihrem Projekt, für dieses Verlangen rechtliche Wege zu finden. Ihre Ideen sind in der Working Paper-Reihe der HLCMR erschienen. Dieser Verzahnung verdeutlicht den Praxisbezug ebenso wie die Kreativität, die die Herangehensweise an das Recht in der HLCMR kennzeichnet.
Diskriminierungsfreie Ausbildung – ein Anliegen der HLCMR
Stella Gaumert und Thi My Duyen Nguyen stellten ein weiteres Projekt aus einem anderen Themenbereich vor. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Juristinnenbund e.V. verfassten sie ein Gutachten zur Frage, ob es einen Anspruch auf eine diskriminierungsfreie Ausbildung gibt, den sie bejahten. Das Schriftstück ist ebenfalls in der Working Paper-Reihe der HLCMR erschienen. Im Anschluss an die Grußworte, Vorträge und Präsentationen verlieh das Team der HLCMR dem scheidenden Zyklus seine Zertifikate für den erfolgreichen Abschluss der Clinic. Der Abend endete bei einem gemeinsamen Get-together am Büffet, bei dem weiter diskutiert und neue Kontakte geknüpft wurden.
Die HLCMR – ein Aushängeschild der Humboldt-Universität zu Berlin
Neun Jahrgänge wurden durch die HLCMR nun schon praxisnah in grund-, menschen- und antidiskriminierungsrechtlichen Fragestellungen geschult. In ihren Grußworten hoben die Vizepäsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Eva Inés Obergfell, der Dekan der Juristischen Fakultät Prof. Dr. Heger und die neue Leiterin der Clinic am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien Prof. Dr. Ulrike Lembke die Bedeutung der HLCMR für die rechtswissenschaftliche Fakultät und die Universität als Ganzes hervor. Als erste Law Clinic am juristischen Fachbereich der Humboldt-Universität zu Berlin komme der Law Clinic für Grund- und Menschenrechte eine besondere Bedeutung und eine deutschlandweite Vorreiterinrolle zu. Die HLCMR sei nicht weniger als ein Aushängeschild der HU.
Prof. Dr. Martin Heger betonte, dass sich die HLCMR bei ihrem Zugang zu Menschenrechten gerade dadurch auszeichne, Menschenrechtsverletzungen nicht nur weit weg zu sehen, sondern auch solche in Deutschland und durch Deutschland zu thematisieren. Dabei stellte er in Bezug auf das Thema der Keynote und der Projektvorstellung zu menschlichen Gebeinen die Innovationen in den juristischen Ansätzen der HLCMR hervor. Es würden neue Wege beschritten, die dabei durchaus auch umstritten seien.
Die HLCMR freut sich sehr über diese Anerkennung ihrer Arbeit. Bereits im zehnten Jahrgang beschreiten wir gemeinsam mit Rechtsanwält_innen, NGOs, staatlichen Stellen und den Studierenden neue grund-, menschen- und antidiskriminierungsrechtliche Wege und hoffen, dass noch viele weitere Jahre folgen werden.
Am 12.01.2018 fand die Abschlussfeier des 8. Zyklus der HLCMR im Senatssaal statt. Dr. Anna Katharina Mangold, Vertreterin der Professur für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien, Dr. Dirk Behrendt, Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung des Landes Berlin sowie der Dekan der Juristischen Fakultät, Prof. Dr. Martin Eifert durften ungefähr achtzig Gäste begrüßen.
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- Abschlussfeier der HLCMR
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- Abschlussfeier der HLCMR
Den Festvortrag hielt Prof. Frances Raday (Concord Research Center for Integration of International Law in Israel, The Haim Striks School of Law, COLMAN; Special Rapporteur, UN Human Rights Council, Expert Group on Discrimination against Women; Professor of Law, Emerita, Hebrew University ) zum Thema „Human Rights ans social and economic Discrimination of Women“.
Danach haben zwei Absolvent*innen eigene Projekte vorgestellt: Yolanda Scheytt zum Thema „Ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG) für Berlin“ und Fabio Almurtada zum Thema „Unter Generalverdacht – Gleiche Rechte für Kinder aus Bulgarien und Rumänien“.
Anschließend fand die Verleihung der Zertifikate an die Absolvent*innen des 8. Zyklus 2016/2017 statt.
Die Law Clinic Grund- und Menschenrechte der Humboldt-Universität zu Berlin (HLCMR) hat auch in diesem Jahr ihre Absolventinnen und Absolventen mit einer feierlichen Abschlussveranstaltung verabschiedet. Am 13. Januar 2017 fanden sich im Senatssaal der HU ungefähr fünfzig Gäste zusammen, sowie die Teilnehmer_innen des 7. Zyklus der Law Clinic 2015/2016. Dr. Anja Schmidt, kommissarische Leiterin der Clinic, eröffnete den Abend mit einer Rede über die Bedeutung einer grund- und menschenrechtlichen Ausbildung an der Universität und betonte, dass sich die Clinic von jeher auf der Seite derjenigen positioniert, die ausgeschlossen und marginalisiert werden.
Anschließend sagte Prof. Dr. Eva Inés Obergfell, Vizepräsidentin für Lehre und Studium der Humboldt-Universität zu Berlin in ihrem Grußwort, dass die Law Clinic Grund- und Menschenrechte längst zu einem festen Bestandteil guter und vielfältiger Lehre an der Universität geworden sei. Der Dekan der Juristischen Fakultät, Prof. Dr. Christian Waldhoff, würdigte in seinem Grußwort die Wichtigkeit einer Auseinandersetzung mit menschenrechtlichen Fragen, wie sie in der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte stattfinde.
Alle Fotos: Ralph Bergel, HU Berlin
Dr. Miriam Saage-Maaß, stellvertretende Direktorin des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), und gemeinsam mit Wolfgang Kaleck Preisträgerin des Hans Liten-Preises der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. 2016, sprach in ihrer Keynote-Speech zu „Unternehmen vor Gericht – globale Kämpfe um die Menschenrechte“. Dabei sagt sie, dass es nicht gut bestel
t sei um die Weltwirtschaft und schlägt im Folgenden einen Bogen von massenhaften Streiks in Bangladesch, die unmittelbar zu Verhaftungswellen führten, hin zur Verseuchung des Nigerdeltas. Recht und die Durchsetzung von Recht sei auch immer Ausdruck von Machtverhältnissen und würde dazu dienen, den Status Quo abzusichern. Sie führt weiter aus, dass während auf der einen Seite Schiedsgerichte, Bestechlichkeit der Beamten oder auch Investitionsschutzabkommen den Unternehmen den Rücken freihalten und
vor drohenden Gewinnverlusten schützen, auf der anderen Seite Menschen, die beispielsweise durch Umweltverschmutzungen ihrer Lebensgrundlage beraubt werden, nur der einfache Rechtsweg bleibt. Dennoch seien Menschenrechte nicht so schwach wie gerne behauptet werde. Sie schließt mit der Einschätzung, dass Recht auch Freiräume schaffe und Verfahren zu Orten der Gegenhegemonie werden können.
Sowohl die Haftbarmachung transnationaler Unternehmen als auch geschlechtsspezifische Fragestellungen sind seit der Gründung der HLCMR kontinuierliche Themen und so stellten die Projektpräsentationen der beiden Studierenden-Teams des siebten Zyklus einen wohl repräsentativen Einblick in die Arbeit der Clinic dar: Paulien Schmid stellte das gemeinsam mit Buyandelger Tsogtsaikhan bearbeitete Projekt zu geschlechtsspezifischen Perspektiven auf die Feminisierung der Textilindustrie in Bangladesch und auch auf den rechtlichen Umgang damit vor, das in Kooperation mit dem ECCHR entstanden war. Johanna Jaspersen präsentierte die Ergebnisse des Projekts, das in Zusammenarbeit mit Lydia Ruffert und der Hirschfeld-Eddy-Stiftung unter dem Titel „Die Inter*sensibilität der Yogyakarta-Prinzipien“ entstand. Sie stellte sich zehn Jahre nach ihrer Verkündung (?) die Frage, ob die Prinzipien, von führenden Menschenrechtler_innen geschrieben um existierende Menschenrechte LGBTI*-sensibel auszulegen, auch in der Lage seien, die spezifische Situation von intersexuellen Menschen zu adressieren. Neben diesen beiden Projekten hatten im Rahmen des siebten Zyklus insgesamt 23 Studierende mit zahlreichen Projektpartnern zu zwölf verschiedenen Themen gearbeitet: Zu den aus der UN-Kinderrechtskonvention ableitbaren Rechten von Trans*Kindern, zu Beschwerdemöglichkeiten von Kindern gegen Diskriminierung an Schulen sowie zu Beschwerdestellen für Polizeiverhalten. Es war um Barrierefreiheit im Gesundheitswesen und um die Rechte geflüchteter Menschen in Berlin gegangen, um das Rechtshindernis der Immunität von Diplomat_innen und Konsul_innen und um das Problem der Nicht-Anerkennung von Berufsabschlüssen.
Einige der Schriftstücke sind in den letzten Wochen in der Reihe der Working Paper der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte veröffentlicht worden. So z.B. eines mit dem Titel BACK ME UP! Rights of Trans Children under the Convention on the Rights of the Child, das in Kooperation mit Transgender Europe entstand.
Die Veranstaltung schloss mit der Verleihung der Zertifikate an die Absolvent*innen des Zyklus 2015/2016. Die (teilweise ehemaligen) Mitarbeitenden der HLCMR Juana Remus, Doris Liebscher, Karina Theurer und Katharina Bager nutzten die Gelegenheit der Übergabe zur Nennung der Projektpartner und Titel der Schriftstücke.
Der Abend klang aus bei einem informellen Get-together mit Wein, Häppchen und Ideen für weitere Projekte und Kooperationen.
Blicke zurück und nach vorn: 5 Jahre HLCMR
Ein Bericht von Marie Lüders
Die Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte ist den Kinderschuhen entwachsen. Sie feierte am 27. November im vollen Senatssaal ihr 5 jähriges Jubiläum mit Gästen aus Wissenschaft, Praxis und Politik. Die nachhaltige Etablierung menschenrechtlicher Themen in der juristischen Ausbildung hat aber erst begonnen.
In den USA sind Law Clinics seit Jahrzehnten Gang und Gebe. Hier zu Lande sind sie immer noch ein ziemliches Kuriosum. Erzähle ich Mitstudierenden von der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte, bekomme ich oft Nachfragen, wieso ich jetzt auch noch Medizin studiere oder was für Krankheiten wir denn in so einer Klinik behandeln. Das mag auch daran liegen, dass der Begriff „Legal Clinic“ je nach seinem Kontext unterschiedliches meint. In Bezug auf die HLCMR verweist er auf ein Hochschulangebot, das theoretische und praktische Kenntnisse im Grund- und Menschenrechtsschutz durch Vorlesungen, Praktika, Workshops und die Arbeit an konkreten Fällen vermittelt. Im Kontext studentisch gegründeter Initiativen meint der Begriff vor allem die Ausbildung zur ehrenamtlichen Rechtsberatung.
„Den Kampf für Menschenrechte lernten wir nicht in Hörsälen, sondern auf der Straße“
Die bloße Existenz von Law Clinics im grund- und menschenrechtlichen Bereich ist jedoch bereits ein großer Fortschritt verglichen mit den Erfahrungen der Teilnehmenden der Podiumsdiskussion „Menschenrechte und Antidiskriminierungsrecht in der juristischen Profession“ auf der Jubiläumsfeier.
Eine grund- und menschenrechtliche Ausbildung haben alle Diskutant*innen in Ihrem Studium völlig vermisst. Eindrücklich berichtete Wolfgang Kaleck, dass er in den 80er Jahren in den Hörsälen juristischer Fakultäten absolut nichts über Menschenrechte gehört habe. Kaleck erzählte, dass er viele Skills für seine derzeitige Tätigkeit beim ECCHR, bei den politischen Bewegungen seiner Zeit, wie etwa der Initiative gegen die Volkszählung, gelernt habe. Auch Manfred Nowak, Professor für Völkerrecht und Leiter des Forschungszentrums Menschenrechte in Wien, berichtete, wie er erst durch Forschungsaufenthalte in den USA erlebte, wie Menschenrechte auch an der Uni gelehrt und durch praktische Tätigkeiten den Studierenden nahegebracht wurden. Er hob die Rolle von Einzelpersönlichkeiten hervor, die sich früh, zum Beispiel in den Menschenrechtsbodies der UN für Human Rights als Rechtsgebiet einsetzten. Ganz ähnlich erzählten auch Eva Maria Andrades, Leiterin des Antidiskriminierungsnetzwerkes Berlin und Almut Wittling-Vogel, Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen, wie sie erst in ihrer beruflichen Karriere lernten, menschenrechtliche Fragen zu adressieren. Susanne Baer, eine der Gründerinnen der HLCMR und nun Richterin des Bundesverfassungsgerichtes lobte die Juristische Fakultät der Humboldt Universität für ihr aktuelles Angebot an Grund- und Menschenrechtsbildung. Sie hob hervor, dass die Law Clinic über rechtsdogmatisches Know-How hinaus auch wichtige interdisziplinäre Fähigkeiten vermittle.
Ende gut, alles gut?
Zwar feiert die HLCMR bei ihrem fünften Geburtstag nun endlich „über den Berg zu sein“ (so der Vizepräsident für Studium und Internationales Michael Kämpfer van den Boogart), von einem etablierten System von Law Clinics zu sprechen, ist wohl verfrüht. Obwohl die Law Clinics in den letzten Jahren deutschlandweit wie Pilze aus dem Boden schießen, ist ihre Einbindung in den universitären Hochschulbetrieb immer noch lückenhaft. Wie Susanne Baer feststellte, bleibt die Anerkennung einer grund- und menschenrechtlichen Ausbildung, aber auch die Anerkennung des Formats Law Clinic noch weit hinter dem Möglichen zurück. Noch steht sie als berufsqualifizierende Zusatzausbildung mit Rhetorikkursen oder Angeboten des „Career Centers“ auf einer Stufe, als seien Menschenrechte etwas, mit dem man sich eben „auch noch so nebenbei beschäftigen kann“.
Was uns noch fehlt
Wie die Projekte der HLCMR der letzten Jahre zeigten, ist die Idee und Umsetzung der Clinic bereits bahnbrechend. Law Clinics gehören zum Aushängeschild der Fakultät, lobte der Dekan. Die Präsentationen von Studierenden des abgeschlossenen Zyklus zum NSU-Prozess, zu Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachthöfen und zu menschenrechtlichen Möglichkeiten der Verbesserung des Rechts von Flüchtlingskindern auf Zugang zu Gesundheit haben gezeigt, wie Menschenrechte erst im Zusammenspiel mit politischen Prozessen, öffentlichem Diskurs und strategischer Prozessführung erfolgreich sein können.
Allerdings bedarf es einer Aufwertung der Bedeutung der Clinic und einer festeren Verankerung im institutionellen Aufbau der Universitäten, so Susanne Baer.
Hinzufügen würde ich, dass Diversity-Kompetenzen und eine Sensibilisierung für Grund- und Menschenrechte nicht etwas sein sollten, was nur einer handverlesenen Zahl von ohnehin schon engagierten Studierenden ermöglicht wird, sondern Einzug in den Universitätsbetrieb insgesamt erhalten sollte. Dass wir erst am Anfang einer langen Entwicklung stehen, zeigte diese Jubiläumsfeier.

Foto: Carl Melchers
Am 24. Oktober 2014 um 18 Uhr feierte die Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte ihr vierjähriges Bestehen im Festsaal der Humboldt Graduate School. Die Studierenden der Law Clinic, das Team der Law Clinic, Expert_innen aus der Menschenrechts- und Antidiskriminierungsarbeit, Wissenschaftler_innen und Unterstützer_innen trafen sich zum Abschluss des nunmehr fünften Zyklus. Der rote Faden der Clinic – die Verknüpfung von interdisziplinärer Lehre mit der Praxis von Antidiskriminierung, Gleichstellung und Inklusion – zog sich durch den gesamten Abend.
Dr. Sarah Elsuni stellte als Leiterin der HLCMR die Ziele, Arbeit und Erfolge der vergangenen Jahre vor und würdigte dabei vor allem die enge Zusammenarbeit mit den über 20 Kooperationspartner_innen an den mittlerweile 40 abgeschlossenen Projekten, aus welchen 100 Studierende wertvolle wissenschaftliche sowie praktische Erfahrungen ziehen konnten.
Im Anschluss sprach Prof. Dr. Nivedita Prasad zum Thema „Rassismus als Verletzung der Menschenrechte von People of Color“. Ihr Vortrag verdeutlichte die nach wie vor existierenden Diskriminierungen von People of Color im deutschen Bildungssystem und machte gleichzeitig Mut, über internationale Rechtsinstrumente strategische Prozesse zu führen. Somit traf sie mit ihren Ausführungen in das Herz der HLCMR: Gesellschaftskritik üben, um rechtspolitische Veränderungen anzustoßen.
Daran anschließend stellten die Studierenden der letzten beiden Zyklen jeweils drei Projekte vor und
zeigten dabei nicht nur auf, was sie im Zuge der Clinic und der engen Zusammenarbeit mit ihren Projektpartner_innen gelernt haben, sondern auch mit welcher thematischen Bandbreite die HLCMR aufgestellt ist. Zum Abschluss verliehen Doris Liebscher, Juana Remus und Alexander Klose als aktuelles Team der Clinic und Betreuenden des letzten Zyklus die Zertifikate an die Studierenden.Einen Bericht von Juana Remus finden Sie auch im Semesterblick der Juristischen Fakultät der HU Sommer 2015, S. 10 f.
Am 18. Februar 2013 feierte die Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte (HLC-GMR) ihre erfolgreiche, nunmehr über zweijährige Arbeit und ihre institutionelle Verankerung an der Schnittstelle zwischen juristischer Ausbildung und Praxis. Im Festsaal der Humboldt Graduate School kamen das „Clinic-Team“, Expert_innen aus der Menschenrechts- und Antidiskriminierungsarbeit, Wissenschaftler_innen, Studierende und Unterstützer_innen der Humboldt Law Clinic GMR zusammen. Die Veranstaltung bot nicht nur Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und zum inhaltlichen Austausch zwischen Kooperationspartner_innen, Sponsor_innen und Studierenden der Law Clinic, sondern diente zugleich als feierlicher Rahmen für die Verabschiedung der Studierenden des zweiten und dritten Zyklus.
Eröffnet wurde das Programm von Dr. Sarah Elsuni, die den Lehrstuhl für Öffentliches Recht & Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität Berlin vertritt und zusammen mit Karina Theurer, Alexander Klose und Doris Liebscher die Humboldt Law Clinic GMR betreut. Im anschließenden Grußwort würdigte Prof. Dr. Michael Kämper-van den Boogaart, Vizepräsident für Studium und Internationales, das innovative Lehrkonzept der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte als hervorragendes Beispiel für die gute Kooperation von Wissenschaft und Praxis.

Dr. Sarah Elsuni, Prof. Dr. Beate Rudolf und Prof. Dr. Michael Kämper-van den Boogaart verfolgen die Präsentation ausgewählter Projekte.
Die Studierenden der HLC-GMR, die interdisziplinär und im Team an konkreten Fällen aus der Praxis arbeiten, tragen mit dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt wird und Menschen tatsächlich zu ihrem Recht kommen. Sie selbst lernen dabei, was es heißt, gleiche Rechte in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu erkämpfen und durchzusetzen. Was das bedeutet, beschrieb eine Studierende des aktuellen Zyklus so: „Die Law Clinic führt mir vor Augen, warum ich Rechtswissenschaften studiere – nicht, um Paragraphen zu lernen, sondern um Gesellschaft zu gestalten und meine eigenen Gedanken juristisch zu nutzen, um für die Rechte anderer zu kämpfen.“
Die Kooperationspartner_innen des Programms profitieren von der sozialen und juristischen Kompetenz und dem Engagement der Studierenden und des GMR Law Clinic Teams. Aus der gemeinsamen Arbeit entstehen z.B. Rechtsgutachten, Beratungsleitfäden, Klageschriftentwürfe und amicus curiae – Stellungnahmen die von Rechtsanwält_innen, NGOs und Gleichbehandlungsstellen genutzt werden können.Die Anwesenden waren von der Vielzahl und Vielfältigkeit der Projekte der HLC GMR beeindruckt, die an Posterwänden im Saal ausgestellt wurden und auf der Webseite der Clinic vorgestellt werden. Zwei der Projekte des zweiten und dritten Zyklus wurden auf der Feier von Absolvent_innen der HLC-GMR präsentiert. Jannis Zöll berichtete von seiner Arbeit für die Rechte behinderter Menschen gGmbH, die er bei der Vorbereitung einer Klage auf Abschluss eines Versicherungsvertrags, der einem sehbehinderten Menschen aus diskriminierenden Gründen verwehrt worden war unterstützte. Er berichtete auch über die Freude, dass die Klage erfolgreich war und verwies auf die Wichtigkeit der Arbeit für künftige Prozesse in anderen Konstellationen. Ponke Danker und Sara Kinsky stellten das gemeinsam mit dem Antidiskriminierungsbüro Sachsen durchgeführte Projekt „Rassistische Einlasskontrollen: Disco-Testings vor Gericht“ vor. Sie hatten dafür ein umfassendes Rechtsgutachten erstellt, dass das Antidiskriminierungsbüro in mehreren Prozessen gegen diskriminierende Clubbetreibende in Leipzig nutzen kann und das grundsätzliche Fragen zur Beweisbarkeit und zum Umfang des Schadensersatzes beantwortet. Beide Projektarbeiten werden demnächst im Rahmen der neuen Working Paper Reihe der HLC GMR publiziert. (Berichte über alle Projekte der Clinic finden Sie hier.)
Das erste Working Paper der Clinic wurde ebenfalls auf der Jubiläumsfeier präsentiert. Lisa Hahn und Carla Weinhardt, Absolventinnen des ersten Zyklus „Human Rights“ hatten 2011, unter Anleitung durch Nora Markard, Jacqui Zalcberg und Juana Remus sowie unter Mitarbeit von Lucie Veith von Intersexuelle Menschen e.V. einen Parallelbericht zur Situation intersexueller Menschen in Deutschland für den VN-Ausschuss gegen Folter erstellt.
Am 30. Januar 2012 feierte die Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte (GMR) ihr erfolgreiches, nunmehr über einjähriges Bestehen. Im Festsaal der Humboldt Graduate School kamen das „Clinic-Team“, Expert_innen aus der Menschenrechts- und Antidiskriminierungsarbeit, Wissenschaftler_innen, Studierende und Unterstützer_innen der Humboldt Law Clinic GMR zu einem abwechslungsreichen und informativen Programm zusammen. Die Veranstaltung bot nicht nur Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und zum inhaltlichen Austausch zwischen Kooperationspartner_innen, Sponsor_innen und Studierenden der Law Clinic , sondern diente zugleich als feierlicher Rahmen für die Verabschiedung der Studierenden des ersten Zyklus „Human Rights“.
Eröffnet wurde das Programm von Dr. Sarah Elsuni, die seit einem ¾ Jahr den Lehrstuhl für Öffentliches Recht & Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität Berlin vertritt und zusammen mit Karina Theurer, Alexander Klose und Jaqui Zalcberg, LL.M. die Law Clinic GMR betreut. Schon in ihren Begrüßungsworten klang an, dass diese Feier den Start für eine wiederkehrende Veranstaltung setzt: zukünftig wird die Humboldt Law Clinic GMR einmal im Jahr einladen, um ihr zum einen ihr eigenes Bestehen in Kooperation mit Projekten und Partner „aus der Praxis“ sowie zum anderen die erfolgreichen Absolvent_innen der jeweiligen Clinic-Zyklen zu feiern und damit natürlich wieder auch Raum zum Austausch, Kennenlernen und Vernetzen zu bieten.
Das anschließende Großwort richtete Prof. Dr. Michael Kämper-van den Boogaart, Vizepräsident für Studium und Internationales der Humboldt-Universität zu Berlin, an die Anwesenden. Er würdigte das innovative Lehrkonzept der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte als hervorragendes Beispiel für die gute Kooperation von Wissenschaft und Praxis. Als Literaturwissenschaftler führte er die Brotstudenten Schillers´ an und betonte, dass die Teilnehmenden der Law Clinic mit diesen wenig gemeinsam hätten und viel eher den von Schiller als positiven Gegenpol gegenübergestellten philosophischen Köpfen glichen. So war es auch nur konsequent, dass er der Humboldt-Law-Clinic „mindestens 100“ folgende Festveranstaltungen prophezeite und sich sichtlich für dieses erfolgreiche Projekt begeistern konnte.
Für die Keynote-Speech konnte die Richterin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Susanne Baer, LL.M. gewonnen werden, die zusammen mit Dr. Nora Markard und Jacqui Zalcberg die Humboldt Law Clinic ins Leben gerufen hat. Bevor sie mit ihrem Vortrag zu dem Thema „Doing Fundamental Rights“ inhaltliche Impulse setzte, würdigte auch sie die Arbeit des Teams der Law Clinic. Die Veranstaltung vermittele ihr ein gewisses Gefühl des „Nach-Hause-Kommens“, das sie auf den zukünftigen Jubiläumsfeiern dann auch den jeweiligen Teilnehmenden dieses Projekts wünsche.
In ihrer Rede betonte Prof. Dr. Baer den prozesshaften Charakter von Grund- und Menschenrechten, welche gerade durch das „Doing“ permanent auf vielfältige Weise und oft sogar ohne Bewusstsein ihrer Relevanz angewandt und aktualisiert würden. Exemplarisch unter Gender-Gesichtspunkten ausgeführt verwies sie dabei auf alltägliche Formen des „Doing Fundamental Rights“ und eröffnete auf diese Weise sicherlich für die eine oder den anderen Gast eine neue Perspektive dieses sensiblen Themenkomplexes „Grund- und Menschenrechte“.
Stellvertretend für die abgeschlossenen Projekte des ersten Zyklus der Humboldt Law Clinic GMR wurden zwei Projekte präsentiert. Thilo Nonne, ein Studierender des erstens Zyklus, verwies neben seinen positiven Erfahrungen auch darauf, welche Herausforderungen und auch Enttäuschungen in der tatsächlichen Arbeit mit Menschenrechten stellen können und inwiefern die Erwartungen eines Studierenden nicht immer mit den tatsächlich gemachten Erfahrungen in der Praxis in Einklang zu bringen sind.
Die Präsentation von Dr. Nora Markard des im Rahmen der Clinic GMR mit fachlicher Unterstützung durch Juana Remus erarbeiteten Parallelberichts zum aktuellen Staatenbericht der Bundesregierung im Rahmen der Anhörung vor dem Anti-Folter-Ausschuss der Vereinten Nationen (CAT) stellte unter Beweis, dass die Arbeiten der Studierenden der Humboldt Law Clinic gerade nicht – wie in der juristischen Ausbildung allzu oft der Fall – „für die Schublade“ bestimmt sind. Der Vortrag machte eindrucksvoll deutlich, weshalb sich das Lehrkonzept der Humboldt Law Clinic GMR so deutlich von vielen anderen, oft nur theoretischen „Anwendungstrainings“ juristischen Wissens unterscheidet. Die Arbeit der Law Clinic GMR war Teil der Anhörung im Rahmen der Berichtsverfahren vor dem Anti-Folter-Ausschuss in Genf, welcher in seinen Anmerkungen einige der Anregungen aus dem erstellten Schattenbericht berücksichtigte.
Da der Zyklus Grund- und Menschenrechte jedoch nicht nur aus diesen zwei Projekten bestand, sorgten sechs Posterwände mit Übersichten zu den jeweiligen Studierenden und Kooperationspartner_innen, dem Projektinhalt sowie den Ergebnissen für eine umfassende Information der interessierten Gäste.
Den Schluss der gelungenen Veranstaltung markierte die feierliche Übergabe der Zertifikate an die Studierenden des ersten Zyklus Grund- und Menschenrechte, die dann zusammen mit allen anderen Anwesenden der Festversammlung zum informellen, aber nicht minder interessanten Teil übergingen und den Abend ausklingen ließen.