Linh Bui, Jurastudentin und Teilnehmerin der HLCMR, berichtet von der Jubiläumsfeier des ADNB, Projektpartner der HLCMR.
Das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB)[1] feierte am 1. November 2018 sein 15-jähriges Jubiläum. Das Jubiläum bot Anlass für einen Blick auf die Vergangenheit und Zukunft der Antidiskriminierungsarbeit in Berlin. Was hat das ADNB geschafft? Wie kann Antidiskriminierungsarbeit effektiver werden?
Das ADNB wurde im Jahr 2003 vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg e.V. (TBB) gegründet und wird durch die Landesstelle für Gleichbehandlung gegen Diskriminierung im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus des Senats von Berlin gefördert. Die Schwerpunkte des Projekts liegen auf der Beratung, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie der Bildung eines weitreichenden Netzwerkes.
Eine Zeitreise durch 15 Jahre ADNB
Ein erschreckendes Bild von Fällen bezüglich Alltagsrassismus und Diskriminierungen in Berlin zeichnet sich laut Auswertungen der Diskriminierungsmeldungen durch den ADNB ab. Es gibt viele Formen von Diskriminierung und sie kann überall geschehen: in der Schule, auf dem Wohnungsmarkt, bei der Arbeitsplatzsuche, bei den Behörden oder auf der Straße. Zur Unterstützung hat das ADNB eine interdisziplinär agierende Beratungsstelle geschaffen, die diskriminierten Menschen sowohl emotional als auch rechtlich zur Seite steht und sie berät. Bei Prozessen rund um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat das ADNB Kläger*innen beraten und unterstützt. Wichtige Erfolge konnten in einigen Fällen erzielt werden, die zum Teil Präzedenzfälle darstellen. Bedeutungsvolle Beispielfälle sind unter anderem die Erlaubnis zum Tragen des Kopftuchs bei der Arbeit[2] und die vorherrschende Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt[3] und durch Mieterhöhungen.
Eine effektive Beratungsarbeit erfordert viele Sichtweisen und die Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen, deshalb ist das ADNB des TBB mit zahlreichen Akteur*innen auf lokaler, bundesweiter und europäischer Ebene vernetzt. Hierzu zählen das Interdisziplinäre Beratungsnetzwerk, das Berliner Netzwerk gegen Diskriminierung in Schule und Kitas sowie der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd).
Neben Vernetzungsarbeit bedarf es auch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, die durch Workshops zu den Themen Empowerment, Praxisreflexion- und Sensibilisierung sowie Schulungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz realisiert wird und darauf abzielt, die Menschen zu sensibilisieren und Verantwortung zu übernehmen.
Eva Maria Andrades (Projektleiterin des ADNB) berichtete über positive Entwicklungen im ADNB. Insbesondere existieren mehr Beratungsstellen, bessere Unterstützung und Zugänge für Betroffene als auch neue Projekte und auch die Bildungsarbeit zeigt Wirkung. Dr. Dirk Behrendt (Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung) lobte die Erfolge in den aktuellen Projekten und warf einen Blick in die Zukunft, insbesondere auf das Landesantidiskiminierungsgesetz Berlin (LADG).
Eine Chance, diese wunderbare Zeitreise zu erleben, hat mir eine Menge Inspiration gebracht. Das ADNB ist, wie Prof. Dr. Iman Attia (Alice Salomon Hochschule) es formulierte, ein Leuchtturm im Kampf gegen Diskriminierung. Wie die Erfolge des Projekts bisher zeigen, ist es möglich, zusammen eine bundesweite Gemeinschaft aufzubauen und die Diskriminierungskultur endgültig zu beseitigen.
Ziele noch Schritt für Schritt zu erreichen
Das ADNB des TBB hat bereits einen großen Schritt nach vorne gemacht, aber der Weg ist noch lang. Wie Eva Maria Andrades (Projektleiterin des ADNB) feststellte, stellen die komplizierte Politiksituation, die Aktionen von Alternative für Deutschland (AfD) sowie das Zunehmen von Rassismus eine große Herausforderung dar. Auch Saraya Gomis (Antidiskriminierungsbeauftragte der Senatsverwaltung für Bildung) betonte, dass es ein sehr langer Kampf sein wird, der mehr Zeit und Bemühung erfordert.
Im AGG liegen noch einige Barrieren für die Inanspruchnahme, weswegen Betroffene oft den Klageweg scheuen. Jedoch können nur die Betroffenen selbst gegen Diskriminierung klagen, da das AGG individualrechtlich gestaltet ist. Neben der emotionalen Belastung verhindern finanzielle und zeitliche Hürden den gerichtlichen Weg. Deshalb ist die Möglichkeit der Verbandsklage erforderlich, um Betroffene zu unterstützen. Darüber hinaus gibt es bei vielen Menschen wenig Wissen über ihre Rechte gegen Diskriminierung und für Gleichbehandlung. Wer seine Rechte nicht kennt, kann diese auch nicht einfordern.
Um den Diskriminierungsschutz voranzutreiben, bedarf es eines stärkeren Rechtsschutzes durch staatliches Handeln. Laut Saraya Gomis könnte durch zum Beispiel eine Einführung der unabhängigen Beschwerdestellen für Betroffene von Diskriminierung durch Schulen und Polizei, Antidiskriminierungsschulungen für Verwaltungsbehörden oder die Umsetzung entsprechender Qualitätsstandards verwirklicht werden.
Die Fragen über die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes, Ombudsstellen sowie digitaler Zugänge zum Recht bleiben noch offen. Das Berliner Neutralitätsgesetz ist nicht so neutral wie gedacht, sondern es verbietet jeglichen Ausdruck eines religiösen Bekenntnisses im Erscheinungsbild der Lehrer*innen. Da es Religionen mit Bekleidungsvorgaben und welche ohne gibt, trifft dieses Gesetz Muslima überdurchschnittlich stark. Aus diesem Grund sollte Berlin das Neutralitätsgesetz abschaffen. Dies hängt aber noch von der politischen Mehrheit ab.
Der Kampf aller Personen
Um dem Ziel einer gerechteren Gesellschaft näherzukommen, sollte nicht nur das ADNB, sondern auch jede einzelne Person aktiv teilhaben.
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[1] http://www.adnb.de
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-neutralitaetsgesetz-kopftuchstreit-arbeitsgericht-weist-klagen-ab/22595156.html
[3] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-07/rassismus-wohnungssuche-studie-diskriminierung-westeuropa-usa